Nach fast drei Wochen ohne Pause, hatte ich die „Anweisung“ bekommen, mir mal zwei Tage Auszeit zu gönnen, um das Land auch etwas kennenzulernen. Ich beschloss in die Hauptstadt zu fahren. Ich habe sehr gemischte Gefühle in Bezug auf diese Stadt, da sie viele Erinnerungsstätten für die unglaublichen Gräueltaten der Roten Khmer birgt. Allerdings hat sie auch viele schöne Seiten und einiges zu bieten.
Die düstere Vergangenheit von Kambodscha
Ich will gar nicht zu viel auf die geschichtlichen Details dieser Schreckensherrschaft der Roten Khmer von 1975 bis 1979 eingehen. Es sei nur soviel gesagt, dass 1,7 bis 3 Millionen Menschen (bei 8 Millionen Gesamtbevölkerung!) in dieser Zeit umgekommen sind. Das Grauen kurz zusammengefasst: Pol Pot (links oben im Bild), der Parteiführer, wollte Kambodscha in einen reinen Agrarkommunismus überführen. Alle Menschen sollten also Bauern sein, egal ob sie landwirtschaftliche Erfahrung hatten oder nicht und das 3fache an Ernte erwirtschaften als bisher. Alles Neue wurde verurteilt – Bildung war zum Großteil ein Todesurteil.
Zur Umsetzung dieses utopischen Planes hat er fast die ganze Hauptstadt evakuieren und auf Feldern arbeiten lassen – bis zu 19 Stunden täglich, ohne ausreichende Nahrung. Unzählige Menschen sind verhungert oder erlagen unbehandelten Krankheiten. Menschen mit Bildung, Kontakten zum Ausland etc. wurden als Staatsfeinde angesehen und in Gefängnisse gebracht, wo sie so lange auf unvorstellbare Art und Weise gefoltert wurden, bis sie ein Geständnis abgegeben haben (wie absurd dieses auch immer sein mochte). Eines dieser Gefängnisse, in dem mehr als 12.000 Menschen gefoltert und anschließend zur Hinrichtung zu einem der „Killing Fields“ gebracht wurden, war Tuol Sleng oder S21. Eine ehemalige Schule – einen besseren Ort hätte man kaum wählen können, um die abartige Botschaft, dass Bildung und Fortschritt bestraft gehört, zu senden.
Das Foltergefängnis ist heute ein Genozid Museum. Ein noch immer schrecklicher Ort, an dem man den Verlust der letzten Menschlichkeit und Barmherzigkeit und die nicht mal mit der schlimmsten Fantasie auszudenkenden Gräueltaten noch immer fast greifbar spüren kann. Vor allem die Zellen der Gefangenen sind schrecklich (ich musste mich wirklich fast übergeben). Und nur eine Hand voll Menschen haben überlebt (das Bild mit den sieben Personen zeigt einen Teil davon – drei davon sind heute noch am Leben). Die beigefügten Bilder sagen ohnehin mehr als 1.000 Worte oder ich je könnte, um meine Gefühle diesbezüglich auszudrücken.
Mein Tag war gelaufen und ich dachte mir, ich hake gleich den nächsten schrecklichen Punkt auf der „schwarzen Sightseeing“ Liste ab und besuche noch die „Killing Fields“. Davon gab es damals mehr als 300. Dort wurden die Gefangenen hingebracht, um noch in der gleichen Nacht ermordet und in Massengräbern verscharrt zu werden. Aber es wurde keine Munition verschwendet. Die armen Menschen wurden auf abartige Weise abgeschlachtet (verzeiht mir den Ausdruck – aber es gibt am besten die Realität wider). Ironischerweise ist es heute ein sehr friedvoller, auch schöner Ort – die Natur hat dazu beigetragen, die dunkle Vergangenheit zu verhüllen. Trotzdem ein beklemmendes Gefühl, wenn man noch immer Stoffreste aus der Erde ragen sieht. Aber das Schlimmste war für mich der „Killing Tree“ – dagegen wurden Babys und kleine Kinder so lange mit dem Kopf geschlagen, bis sie tot waren. Heute zeugen hunderte Bänder für das tiefe Mitgefühl der Besucher. Der letzte Stopp ist das Denkmal – ein Tempel in der Mitte der Anlage– bis oben hin gefüllt mit unzähligen Totenköpfen der Opfer.
Der Besuch dieser Orte hat mich schwer beschäftigt und bestürzt – aber es ist auch wichtig, dass diese unvorstellbaren Taten und vor allem die Opfer nicht vergessen werden. Wir alle können nur dafür sorgen, dass diese Geschichte sich nie wieder wiederholt. Das ist doch ein schöner Gedanke.
Die schöne Seite der Stadt
Nach den zwei sehr aufrüttelnden und erschütternden Orten beschloss ich, auch etwas Aufheiterndes zu unternehmen. Eine Bootstour u.a. am Mekong River hat es dann auch geschafft, mich von den schönen Seiten der Stadt zu überzeugen (etwas Pech nur, dass wir nach 10 Minuten umkehren und auf ein neues Boot umsteigen mussten, da das erste kaputtgegangen ist). Trotzdem ein schönes Erlebnis (wenn ich Biertrinkerin wäre noch mehr – denn Bier war im Preis inbegriffen 🙂 )
Am nächsten Tag habe ich dann noch ein paar weitere schöne Dinge gemacht. Die Besichtigung des Wat Phnom – ein Tempel auf einem kleinen Hügel war großartig und hat die notwendige Ruhe, in der sehr lebendigen Stadt gebracht. Vor allem die Menschen beim Beten zu beobachten, wirkt sehr entspannend auf mich. Zum Mittagessen war ich dann bei einem herausragenden Hilfsprojekt – Daughters of Cambodia. Die Organisation betreibt ein kleines Café und einen Shop inklusive kleinem Spabereich und hat dort ehemaligen Sexarbeiterinnen eine Anstellung und somit eine Zukunft gegeben. Ein schönes Projekt und Essen und Shakes waren auch spitze. Das Sightseeing Programm habe ich mit dem Königspalast inklusive Silberpagode abgeschlossen. Sehr schöne Gebäude (leider musste ich vor der Silberpagode wieder mal eine halbe Stunde warten, bis der Regen weniger wurde – nicht gut wenn man seinen Laptop, aber keinen Regenschutz dabei hat 😉 ). Ach ja, man kann auch sehr gut Essen in Phnom Penh. Eine willkommene Abwechslung zu Reis, Fleisch und Gemüse – mein tägliches Mittag- und Abendessen (das soll keine Beschwerde sein – ich werde sehr gut versorgt, aber das Khmer Essen ist nach einer Weile doch etwas eintönig).
Zum Abschluss muss man eigentlich noch seine Anerkennung für dieses Land aussprechen, dass in seiner jüngsten Geschichte, so schwer traumatisiert wurde und die gesamte Bildungsschicht (inklusive fast aller Lehrer) verloren hat. Ich bin froh, hier zu sein und durch meine Freiwilligenarbeit an diesem großartigen Schulprojekt einen winzig kleinen Beitrag zur Hilfe der Kinder von Kambodscha zu leisten.