Da ich meine Gastmutter einmal dabei beobachtet habe, wie sie ein krankes Mädchen dadurch „behandelt“ hat, dass sie durch Fauchlaute böse Geister vertreiben wollte, war mein Interesse für „Khmer Medizin“ bzw. Magie geweckt. Ich habe dann auch sogleich von einem im Dorf ansässigen, aber weit darüber hinaus bekannten Medizinmann erfahren und durch meinen Kollegen Chhay die Möglichkeit erhalten, ihm einen Besuch abzustatten. Wobei wahrscheinlich eher Magier die richtige „Berufsbezeichnung“ ist. Dieser Morgen zählt sicher zu den ungewöhnlichsten Erfahrungen, die ich hier sammeln durfte.
Als wir ankamen, wohlgemerkt in einem sehr schönen, großen Haus mit zwei Autos vor der Haustür, wurden wir gleich in die Behandlungshütte geführt. Der Medizinmann hat völlig unberührt von unserer Anwesenheit die Behandlung fortgesetzt und die Patienten fanden es auch völlig in Ordnung, dass ich dieser beiwohne und fotografiere. Die Abläufe ähneln dem eines Krankenhauses – wer zuerst da ist, wird zuerst behandelt – es werden sogar Nummern vergeben. Am Ende der Sitzung wird bezahlt, der Betrag obliegt jedem einzelnen – wobei den Besitztümern des „Arztes“ nach zu urteilen, dürfte er sehr gut verdienen.
Die Behandlung ist allerdings sehr ungewöhnlich. Die Patienten legen sich vor dem Medizinmann auf eine Matte und dieser streicht mit einer Kugel aus Reispaste den ganzen Körper oder schmerzhafte Körperpartien entlang. Das Resultat, meist ein Splitter oder Haare/Fasern, die in der Reispaste stecken bleiben und vom inneren des Körpers kommen und die Ursache der Krankheiten sein sollen. Der Patient kann nach der Behandlung, die verwendete Reiskugel, näher in Augenschein nehmen. Die Behandlung, die ca. fünf bis zehn Minuten dauert, findet vor versammeltem Publikum statt – Männer und Frauen gemischt. Dies obwohl die Patienten zum Großteil entblößt sind. Ungefähr zehn Personen werden nacheinander behandelt, anschließend wird ein kurzes Gebet gesprochen. Und danach raucht der rund 30-jährige Medizinmann, der selbst übrigens nicht sehr gesund aussieht, meist eine Zigarette auf der Behandlungsmatte, bevor es weitergeht. Täglich behandelt er zwischen 50 und 100 Patienten – Praxiszeiten sind ausschließlich vormittags. Er hat sich die Fähigkeiten über fünf Jahre hinweg angeeignet und ist auch seit fünf Jahren tätig. Er scheint auch sehr unterhaltsam zu sein – es wird gelacht, getratscht und über andere Patienten gesprochen – eine ärztliche Schweigepflicht gibt es also nicht.
Ein Urteil betreffend Wirkung überlasse ich jedem selbst. Fakt ist, dass Menschen von sehr weit herkommen, um behandelt zu werden. Man wendet sich vor allem an den Medizinmann, wenn die Schulmedizin nicht die gewünschten Resultate erzielt hat (das zum Teil desaströse Niveau der gesundheitlichen Versorgung in Kambodscha mal außer Acht gelassen). Alle Anwesenden haben die sofortige Verbesserung ihres Zustandes bestätigt und viele kommen regelmäßig. Meiner Meinung nach, kann der Glaube Berge versetzen und dieser ist bei allen Patienten zutiefst vorhanden.